Leseprobe Faszination Leben

Laura Song (Bürgerlicher Name: Ivonne Wiesener)

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Leseprobe – Kapitel II

Schon wieder aus der Welt gerissen

Nun war sie endlich komplett eingerichtet – die neue Wohnung – unser neues zu Hause! Sie war wirklich sehr schön! Betti ihr Zimmer und das Wohnzimmer meiner Mutter hatten Zugang zum Eckbalkon in der 15. Etage. Als ich das erste Mal die Aussicht genoss, glitten meine Gedanken getreu dem Motto: Die Dächer über Berlin! Mein Zimmer lag dem von Betti gegenüber und das Wohnzimmer befand sich links von meinem Zimmer. Ein kleiner Flur – ein Meter mal ein Meter – verband die drei Zimmer. Rechts von meinem Zimmer, gegenüber dem Wohnzimmer, befand sich ein WC was hauptsächlich von Betti und mir genutzt wurde. Andere Seite vom Wohnzimmer, dem Balkon gegenüberliegend, befand sich die Durchreiche in die Küche, so dass das Essen direkt von der Küche ins Wohnzimmer gereicht werden konnte. Praktisch! Die Küche war ein relativ kleiner Gang ohne Fenster, in dem sich meine Mutter meistens allein befand. Ich vergnügte mich an der Durchreiche und mit einem Auge immer auf die Glotze. Hinter der Küche befand sich das Badezimmer mit einer Wanne und viel Patz. Dort habe ich mich sehr gerne aufgehalten. Egal ob ich beim Singen oder beim Planschen war. Das große Badezimmer war für mich immer sehr einladend und Phantasie anregend. Dem Badezimmer gegenüber befand sich ein kleiner Hobbyraum in dem mein Paps seine Elektronik und den Funk Kram aufbewahrte. Zwischen Wohnzimmertür und Hobbyraum befand sich noch das Schlafzimmer meiner Eltern. Meine Schule war zwanzig Minuten Fußweg entfernt und wieder war ich völlig aufgeregt. Was wird mich in dieser Klasse erwarten?

Mein erster Schultag in der neuen Klasse:

Wir waren insgesamt drei neue Schüler: ein Mädel – Dorothea (Doro), ein Junge – Sascha und ich. Es schien diesmal eine ausgeglichene Klasse erwischt zu haben. Es war nichts davon zu merken, dass Mädels das schwächere Geschlecht sind. Keine Beschimpfungen, kein Schubsen – nein – ganz normaler Umgang mit einander. Das war etwas völlig Neues für mich und die ersten Tage hatte ich gemischte Gefühle. Einerseits war ich mit Freude erfüllt. Ich musste keine Angst mehr vor den Jungs haben. Ein Gefühl was ich lange nicht hatte. Andererseits war es zu schön, um wahr zu sein. Dadurch brauchte ich ein paar Wochen, um es zu akzeptieren, wie es war. Ich lernte, dass ein gewisses Gleichgewicht zur Realität dazu gehört, wenn man sich wohl fühlen will. Achtung und Respekt wurde mir teilweise entgegen gebracht, was ich bis dahin nicht kannte. Das Wort – mit einander – hatte sich wieder mit Leben gefüllt und ich merkte, dass es Menschen in meinem Alter gab, denen es freute, dass es mich gibt. Aufgrund der Erfahrungen in den ersten Wochen dieser Klasse, erfüllte sich mein Leben wieder mit Licht und Lebensfreude. Ich ging wieder gern in die Schule und das Lernen brachte mir Freude und erweiterte meine Lebensziele. Man konnte sagen, was man denkt und wurde nicht gleich dafür verurteilt. Mein Interesse an der Schule, das Lernen und meine Noten wurden besser und steigerungsfähig. Ich lebte mich relativ schnell ein und wir hatten jede Menge Spaß. Nachmittags war immer irgendwas angesagt. Es gab Nachmittage, da waren wir mit der gesamten Klasse Altstoffe sammeln, als Thälmann Pioniere mit dem roten Halstuch. Manchmal haben wir Ausflüge, wie z.B. ins SEZ (Sport- und Erholungszentrum) oder andere Ausflugsziele unternommen. Das Wellenbad im SEZ war immer das Schönste. Dort konnte man sich ein paar Minuten lang einfach vom Wasser treiben lassen. Wenn ich es geschafft hatte, in den paar Minuten nichts zu denken, ersetzte das Wellenbad eine Woche Urlaub für mich. Leider ist es mir nur selten gelungen so abzuschalten, dass ich die Wirkung eines Ersatzurlaubes erzielen konnte. Ich konnte mein Glück noch gar nicht fassen. Die Klasse war anders! Träumte ich oder war Gewalt wirklich kein Thema in dieser Klasse? Doch was war bei mir zu Hause los?

Es wurde immer ruhiger …

Es wurde immer ruhiger zu Hause. Wir redeten kaum noch mit einander. Meine Mutter und mein Paps hat man kaum noch zusammen gesehen. Was ist hier nur los? Glück mit der Klasse und dafür zerrüttetes zu Hause? Wieso klärt mich niemand auf? Wo treibt sich Betti rum? Wieso ist sie kaum noch zu Hause? Haben sie Betti schon weg gegeben? Nein, denn würde sie nicht mehr so oft hier schlafen! Was ist nur los? Gedanken über Gedanken, ja – gar ein reines Gedankenmeer der Gedankenflut und unerklärbare Gefühle. Ich verstand gar nichts mehr. Nichts war mehr wie vorher. Alles hatte sich geändert. Vieles wurde mir suspekt und fremd. Ich konnte das Meer der Gefühle nicht stoppen, kontrollieren geschweige denn verstehen. Ich zog mich also bewusst ganz stark von der Außenwelt zurück, um einen Weg zu finden, mir das Leben leichter und freier zu gestalten. Doch das war schneller gewünscht, als umzusetzen. Ich musste für mich Klarheit finden, denn auf meine Fragen bekam ich von niemanden Antworten. Ich muss die Antworten selbst finden. Ja, ich war mir sicher – so kann es funktionieren. Nichts denken, nichts hören und irgendwann ist es einfach vorbei. Aufgrund der Fähigkeiten eines jeden Menschen, das Talent des Verdrängens zu besitzen, konnte ich jahrelang so leben und dennoch gestärkt durchs Leben gehen. Dann wurde es etwas unruhiger in der gesamten Stadt. Die Leute rannten wie automatisiert durch die Straßen. Es war das Gefühl als sehe man sich ein Film an, den man nicht manuell stoppen konnte. Hektik machte sich schnell breit und die Anonymität stieg sichtlich an. Jeder kümmerte sich nur noch um sich selbst ohne nach links oder rechts zu schauen. Warum? Warum war mit einmal jeder sich selbst der Nächste? Was hat die Stadt in Angst und Schrecken versetzt? Warum diese unheimliche Unruhe? Warum das große Schweigen in der Familie? Warum die scheinbar heile Welt in der Schule? Ich beschloss, mir das Ganze mal genauer anzusehen, bevor ich mir ernsthaft Sorgen mache.

Klassendisco

In der Schule hatten wir freitagabends eine Klassendisco veranstaltet. Da haben sogar die Mädels mit einander Arm in Arm ganz langsam getanzt und das war völlig normal. Kein Vergleich zu den anderen Klassen, wo man den Unterschied zwischen männlich und weiblich schon von weitem erkannte. Ich habe während der Schulzeit, den Discos und den Pioniernachmittagen sehr viel Zeit mit Anne – meiner damals besten Freundin – verbracht. Anne ist ein Mädel, die es nicht gerade leicht hatte. Ihr großer Bruder machte es der kleinen Familie nicht gerade leicht, ihre Mutter war allein erziehend und um ihren kleinen Bruder kümmerte sie sich so oft sie konnte. Dennoch hatten wir die gemeinsame Zeit, die uns blieb, intensiv genutzt. Wir waren ein richtiges Team. Wenn Sie jemanden zum Zuhören brauchten, und reden wollte war ich für sie da und umgedreht war dieses ebenso der Fall. Wir haben jeden Tag viel mit einander geredet. Unsere ausgedehnten Spaziergänge waren die reinste Freude. Anne und ich hatten eines gemeinsam. Wir wollten das Leben verstehen, begreifen und bewusst erleben. Wir waren Neugierig und wollten auf alles Antworten und Erklärungen finden. Wieso gibt es kleine und große Sorgen? Gibt es überhaupt einen Unterschied oder ist eine Sorge wie die Andere? Wenn theoretisch ein Lösungsplan vorhanden ist, wieso ist es so schwer diesen in die Realität umzusetzen? Warum hören so wenig Menschen wirklich zu, wenn man etwas Positives zu berichten hat? So waren unsere Gespräche aufgebaut. Das Ziel war genaues zuhören und bewusstes erleben! Durch intensiven Erfahrungsaustausch haben wir uns gegenseitig Kraft, Mut und Zuversicht gegeben. Durch ständige Gespräche, gab es immer wieder neue Aufgaben, neue Herausforderungen und neue Fragen, die wir uns beantworten wollten. Durch die Intensität der Gespräche war es möglich über Gefühle zu reden. Aufgrund vieler verschiedener Situationen, entstanden neue Emotionen und Gefühle. Wir kamen in die Pubertät. Wir hatten uns sogar ein bisschen von der Klasse abgekapselt. Bei der Klasse an sich hat man es nicht so eng gesehen und wenn wir wieder mit Anderen zusammen etwas erleben oder bereden wollten, war nicht gleich die halbe Klasse sauer und eingeschnappt, wenn wir uns abgekapselt hatten. Es war eben eine gewisse Art von Freiheiten, die ich nun hatte. Da ich dieses Gefühl nicht kannte, musste ich erst lernen damit umzugehen. Doch es war ein schönes Gefühl und an die schönen Dinge im Leben gewöhnt man sich schnell. Es war die erste Schule bzw. Klasse, wo ich keine Angst haben musste verprügelt zu werden. Meine Schulwege waren lange Zeit Höllenwege. Mich lies das Gefühl nicht los, dass jemand aus dem Hausflur oder der Straßenecke hervorgesprungen kommt. Doch durch die Klasse legte sich das Gefühl nach ein paar Wochen und ich lief locker und leicht durch die Strassen und lernte die neu gewonnen Freiheit zu genießen. Ich bin Anne sehr dankbar dafür, dass sie mich schnell ansprach und somit mir die Eingliederung in die neue Klasse und die neue Umgebung wahnsinnig erleichterte. Bei uns zu Hause war leider immer noch keine Ruhe eingekehrt. Wir hatten nicht nur ernsthaft mit einander geredet, nein – wir hatten eben soviel Spaß gehabt. Es gibt einen Abend, den ich noch wie gestern in mein Gedächtnis eingebrannt habe. Wir hatten bei einer Klassendisco gemeinsam Arm in Arm getanzt. Da wir kein Englisch konnten, haben wir die Lieder verspottet. Wir konnten beide ziemlich gut Russisch, aber Englisch war eine Welt, die völlig fremd für uns gewesen war. Dann spielten sie ein Lied (Reality – Richard Sanderson), wo wir aus a didn´t we are nice – ne Titte im Eis machten. Leider ist das der einzige Spott, der mir von dieser Zeit noch hängen geblieben ist. Dieser Spott hatte uns über Wochen immer wieder zum Lächeln gebracht, da wir den englischen Text mit keinem Wort verstehen konnten. Alvin, ein Mitschüler aus meiner Klasse und sehr guter Freund von Anne, hing ab und zu bei uns herum und erweiterte den Bereich der aufkommenden Fragen und die Neugier das Leben zu erleben und erforschen. Er wollte an dem Abend der Klassendisco und unserem Liederspott langsam mit mir tanzen. Geschockt, weil ein Junge es wagte mich anzusprechen, stand ich kerzengerade vor ihm und stotterte ein „Ja“ als er mich zum Tanz aufforderte. Steif wie ein Brett und nur nicht zu nahe kommen, tanzten wir einen Schritt auseinander und die Hände steif an den Oberarmen des Tanzpartners. Ich kam mir so blöd vor, das muss ein Bild für Götter gewesen sein. Doch glücklicher Weise war das Lied nicht sehr lang gewesen. Wir tanzten nach Eternal Flame von den Bangels. Das war der einzige langsame Tanz, den ich jemals mit Alvin tanzte. Zu der Zeit tanzte ich so wieso mehr mit Mädels, da ich es – im wahrsten Sinne des Wortes – erst lernen musste, dass nicht alle Jungs (Männer) beißen. Es klingt vielleicht komisch, aber es war so, alles was männlichen Anschein machte, machte mir Angst, außer mein Paps. Die Unruhe in der Stadt, aber auch in unserer Familie hielt an und so kam es, dass ich mich mehr und mehr bei meinem Onkel Hartmut an den Wochenenden rum trieb. Jetzt lernte ich ihn erst richtig kennen. Ich war immer seine Große, womit sein Stolz auf seine kleine Nichte immer wieder zur Sprache kam. Hatte er Besuch, so dürfte ich für seine Gäste tanzen. Stolz verkündete er: „Mein kleines Mädchen tanzt!“ und ich war stolz, meinen Onkel glücklich zu sehen. Ich merkte, dass Hartmut lange Zeit der einzige war, der mich geistig voran brachte und sich viel Zeit für mich nahm. Für jedes Problem hatten wir gemeinsam einen Weg ruhig, fair und ausgeglichen gesucht und meistens eine derartige Lösung gefunden. Wir hatten die meisten Wochenenden für uns, so dass wir alle Zeit der Welt für uns hatten. Es war immer wieder ein Gefühl, als könne er die Welt anhalten. Doch irgendwann waren die Wochenenden beendet und ich versuchte das gelernte innerhalb der Woche umzusetzen, damit wir am nächsten Wochenende wieder ein anderes Thema in Angriff nehmen konnten.

Menschen klettern Mauern hoch

Abends haben wir gemeinsam Nachrichten geschaut. Eine Horde wild gewordener Menschen kletterten an Mauern hoch und schrieen „wir sind frei“, „die Mauer ist gefallen“ … Ich verstand gar nichts mehr und registrierte nicht was gerade in diesem Moment passiert war. Jetzt waren sogar die Nachrichten seltsam und unverständlich. Was war mit mir los? Wieso konnte ich einfach gar nichts mehr verstehen? Bin ich jetzt komplett bescheuert geworden? Was war nur los? Meine Eltern meinten, dass wir meine Oma Annika am Samstag in West-Berlin besuchen werden. Mauern, frei, D‑Mark, Reisen… das waren die Worte, die man überall hörte, nur ich stand da – verstand immer noch nichts und habe niemanden gefunden, der mir das Ganze mal in Ruhe erklären konnte. Hartmut hätte es mir sicherlich erklärt, doch vorm Wochenende sehe ich ihn nicht. Eventuell nicht mal dieses Wochenende, denn wir wollten doch meine Oma Annika besuchen. O weh, wie sollte ich denn nur zu Recht kommen? Wieso redet denn niemand mit mir? Wofür werde ich bestraft? Was habe ich getan? Alle rennen ganz aufgeregt durch die Stadt. Es war ein Bild des Grauens! Jeder Schritt war ein Schritt durch die fremde, völlig verdunkelte und kalte Welt! Es gab nur noch einen Ort an dem ich mich wohl, geborgen und willkommen fühlte. An der Seite von Hartmut, meines Onkels. Ja, denn ich war seine Große. Für den Rest der Welt war ich die Kleine. Er machte mich stark, stark durch seine Macht der Worte! Ohne ihn kam ich mir klein und hilflos vor. Am darauf folgenden Samstag ging ich nicht in die Schule und wir besuchten, wie versprochen meine Oma Annika in West-Berlin. So richtig hatte ich immer noch nicht begriffen was passiert war. Mit einmal konnten wir meine Oma besuchen? Laut den Infos bei ihrem Umzug, war das nicht mehr möglich. Wieso ging es nun doch? Oh je, ich hätte in Geschichte und Geographie doch besser aufgepasst, dann wüsste ich vielleicht, was gerade passierte. Spannend war es wirklich, denn alles was ich bis dahin von West‑Berlin gesehen hatte, waren zwei weiße, große Hochhäuser, die bei uns im Garten hinter den Schienen zum Vorschein kamen. Wenn ich meine Mutter fragte, was diese beiden Häuser sind, sagte sie nur: „Das ist der Westen“. Da jeder von dem „Goldenen Westen“ redete, passten diese zwei Häuser gut zum Image, was mir alles über den angeblichen „Goldenen Westen“ zu Ohren gekommen war. Ich war sehr gespannt. Wie es da wohl aussehen wird? Die Straßen und Häuser … Wir kamen an der Grenze an. Menschen Getümmel soweit das Auge reichte. Eine Stunde warten und es ging ganz langsam voran. Genug Zeit, um meine Vorstellungen vom Goldenen Westen noch etwas zu verfeinern. Endlich war es soweit. Noch zwei Pärchen waren vor uns. Dann betraten wir das Tor in den Goldenen Westen. Manage frei – die Berliner sind los! Doch was war das? Ich traute meinen Augen kaum! Das Entsetzen war groß und die Enttäuschung noch viel größer. Hier sieht es genauso grau und düster aus wie bei uns! Die Straßen scheinen aus dem gleichen Material zu sein wie unsere Straßen. Alt und zerfallene Häuser, kaputte Straßen und die Menschen sahen ebenfalls den unseren ziemlich ähnlich. Wo ist denn nur das „Goldene“ von dem alle sprachen? Fassungslos, gar sprachlos versuchte ich meine Enttäuschung zu verbergen! Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ich spürte eine unwahrscheinlich tief sitzende Enttäuschung. Wir fuhren mit der U-Bahn zu meiner Oma Annika. Selbst die U-Bahnen waren genauso wie unsere. Nein, ein Unterschied gab es. Unsere U-Bahnen waren nicht mit Graffiti besprüht und im Allgemeinen etwas sauberer. Die U-Bahnen hier waren sehr dreckig. Besprüht, bemalt, bekotzt … Hilfe, wo sind wir hier gelandet? Ich will nach Hause! Diese Fremde jagte mir Angst ein. Die Menschenmassen konnte ich ignorieren, doch das Ambiente brachte mir das kalte Grauen. Ich fragte mich, ob meine Oma Annika eine Hexe sei und zum Teufel gezogen ist. Ich fand einfach keine Worte für das was ich sah. Sprachlos vor Enttäuschung!

Pünktlich 8 Uhr

Pünktlich um acht Uhr hatten wir bei meiner Oma geklingelt. Sie wohnte in Berlin-Neukölln. Sie freute sich wie ein kleines Kind. Dieses Lächeln verzauberte. Als hätten wir sie gerade erlöst und von ihrem größten Schmerz befreit. In dem Moment war ich mir sicher, das sie keine Hexe war. Allerdings war ich mir über die Hölle noch nicht ganz klar geworden. Nach einem ausgedehnten Frühstück sind wir einkaufen gewesen. Meine Oma wohnte in einer, nein in mehreren Einkaufsstraßen. Die Straße abwärts, war auf der Ecke ein Zigaretten- und Tabakwarenladen. Schon bis ich das allein registrierte vergingen gefühlte Stunden. Direkt auf der Ecke blieben wir stehen. Vor uns stand ein altes Gebäude, mit Balkon verziert und wahnsinnig großer Leuchtschrift – SPARKASSE – Fünfundvierzig Grad Winkel rechts ein Geschäft neben dem Anderen und oben auf dem Dach eine gigantisch große Werbetafel, die das Gefühl vermittelte den Fußgänger zu erschlagen. Direkt rechts daneben tausend bunte Bilder, alles Geschäfte … Einkaufmeile eben! Direkt links genau das gleiche Spiel. Fünfundvierzig Grad Winkel links befand sich ein wunderschönes, uraltes Gebäude. Das ist das Rathaus von Berlin-Neukölln. Es hatte etwas Faszinierendes an sich und zog meinen Blick für einige Minuten auf sich. Lange konnte ich den Anblick nicht genießen, da wir an der Fußgängerampel standen, die schnell auf grün umschaltete. Da ich meinen Paps ganz doll fest hielt, um ihn nicht zu verlieren in den Massen von Menschen, wurde ich aus einer Faszination in die nächste gezogen. Wir gingen in dieses gewaltige Gebäude (Sparkasse). Menschen über Menschen, soweit das Auge reichte. Kinder weinten, lachten, spielten, selbst verprügelt wurden Kinder in diesem Hause. Meine Angst stieg ins Unermessliche. Nun hielt ich mich schon mit beiden Händen an meinem Paps fest. Was ist hier los? Später verstand ich, was 100,00 DM (ca. 50,00 Euro) Begrüßungsgeld bedeutete. Endlich wieder raus aus dem schrecklichen Gebäude, standen wir auf der Straße und holten erstmal alle tief Luft. Sofort drehte ich meinen Kopf. Das Rathaus zog mich an, wie ein Magnet. Wieder riss mich mein Paps aus der Faszination, wir wollten in einen Spielzeugladen. Ich dürfte mir ein Telespiel aussuchen. Ich bekam mein erstes eigenes Telespiel. Das allein war für mich faszinierend. Wir zogen von einem Laden in den Anderen. Es gab viel zu sehen. Schöne Puppen, viele Süßigkeiten, die ich am Liebsten alle sofort probiert hätte. Irgendwann nahm ich nur noch auf, ohne drüber nach zu denken. Die Menschenmassen überrannten sich. Jedes zweite Kind suchte seine Eltern. Ich hielt meinen Paps ganz doll fest, sonst hätte ich ihn womöglich nicht wieder gefunden und wäre wie eine kleine Irre durch die Gegend gerannt. Es war ein aufregender Tag und meine Mutter bot mir an, dass ich bei meiner Oma bleiben könne, denn am nächsten Morgen würden sie wieder kommen. Da war es wieder, das Gefühl der Angst, Kälte und der Dunkelheit. Wieder setzte ich Himmel und Hölle in Bewegung, um nicht da zu bleiben. Bei dem Gedanken, ich soll hier übernachten, war mir wieder totalkalt geworden und Angst verursachte bei mir leichte Panik. Ich hasste dieses Gefühl (Angst vor meiner Oma). Wie es entstanden ist, kann ich bis heute nicht erklären. Ein Angstgefühl aus unerklärlichen Gründen, was sich in ihrer Gegenwart immer wiederholte. Ich wollte immer mit meinen Eltern mitgehen. Um dieses merkwürdige Gefühl zu vermeiden, für das ich einfach keine Erklärung finde. Trotzdem habe ich meine Oma wahnsinnig lieb. Wie bereits erwähnt, waren wir am nächsten Morgen wieder bei ihr Die Mauer wurde nicht wieder aufgebaut und es war nicht nur geträumt. Es war die Realität, die mich sehr verwirrte. Wir kamen in die Tür und dort saßen zwei Menschen, die mir bekannt vorkamen, dennoch völlig fremd gewesen sind. Ein Mädel – blond, schön und mit einem selbstbewusstem Auftreten und ein Typ der sich hinter einer Fußballzeitung versteckte. Das was ich außerhalb der Fußballzeitung sah, war schon sehr ansprechend. Gute Figur, braungebrannt, wenn er nun noch was im Kopf hat, dann … was will Frau mehr?

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